Man muss bei DOCSIS 4.0 zwischen dem vielfach erwähnten Full-Dublex-DOCSIS (FDX) und Extended Spectrum DOCSIS (ESD) unterscheiden. Beide Varianten wurden mit DOCSIS 4.0 von cablelabs spezifiziert. Für eine FDX-Implementierung bleibt kein Stein mehr auf dem anderen und eine Node+0 Architektur (ohne Zwischenverstärker) ist quasi Pflicht. Damit muss der Kabelnetzbetreiber eine FTTB (Fiber to the Building) Architektur realisieren und somit die Faser bis in den Keller des jeweiligen Hauses ziehen und dort den Node installieren. Dies generiert immense Baukosten und eine FTTH-Topologie käme vermutlich längerfristig günstiger, was wiederum mit einem Kooperationspartner wie Swisscom realisiert werden könnte. Viele Kabelnetzbetreiber werden daher auf ESD setzen und den Frequenzbereich bis 1.8 GHz aufweiten, was aber auch mit viel Aufwand verbunden ist. Die meisten aktuellen Verstärker gehen bis 1000 MHz, andere nur bis 862 MHz. Da auch der Rückweg aufgeweitet werden muss, müssen Verstärker und diverse passive Elemente (Taps, Verteiler, Kabeldosen) aber sowieso angepasst werden. Der Kabelnetzbetreiber befindet sich in einer Zwickmühle und haben einen recht hohen Investitionsbedarf. Einige müssen sich Gedanken machen ihr Netz gleich an die UPC zu verkaufen oder auf FTTH zu setzen.
Swisscom hat (Dank Künzler von Init7 😄 ) ein WEKO-Verfahren am Hals. Es geht dabei um die verwendete Topologie des FTTH-Netzwerks von Swisscom: P2MP (Point-to-Multipoint). Bei einem P2MP-Netzwerk gibt es keine direkte Faser mehr zwischen Wohnung des Kunden resp. OTO-Dose und “Zentrale” oder POP (Point of Presence) und damit wird es für kleinere Mitbewerber wie Init7 schwierig, konkurrenzfähige Angebote zu realisieren. Ein P2MP-Netzwerk ist ein PON (Passive Optical Network) und verwendet sogenannte Splitter. Somit geht eine Faser von der Zentrale bis z.B in den Keller eines Mehrfamilienhauses und wird dort mit einem 32fach Splitter auf 32 Wohnungen aufgeteilt. Ein Splitter ist ein völlig passives optisches Element und braucht keinerlei Stromversorgung. Alle 32 Wohnungen teilen sich die eine Faser zur Zentrale über eine Technologie namens XGS-PON. Im Downstream erhält also jedes Modem die Daten jedes anderen Modems (verschlüsselt natürlich). Für 32 Wohnungen stehen also 10 Gigabit/s resp. 8 Gigabit/s im optimalsten Fall zur Verfügung. PON-Technologien sind zwar standardisiert, aber immer noch sehr abhängig vom jeweiligen Anbieter (Nokia, Huawei und Co.). Alle Kunden an einem Splitter auf einer Wellenlänge (Farbe) müssen zwangsläufig an ein OLT (Optical Line Terminal, aktive Einheit in der Zentrale resp. “anderes Ende der Faser”) eines Anbieters geführt werden. Denn diese Elektronik muss ja die 32 Modems an einer Faser unterscheiden können, Daten verschlüsseln und die Bandbreite fair aufteilen etc.
Bei P2P kann ich hingegen verwenden was ich will und meist kommt normales Ethernet zum Einsatz, was auf dem Markt weit verbreitet ist und von hunderten Lieferanten angeboten wird. Es sind heute Bandbreiten bis 400 Gbit/s über eine Faser und mehre Wellenlängen möglich (400GBASE-xxx). Über P2P kann ich auch Quanten oder Morsezeichen versenden wenn ich möchte, da ich eine exklusive Faser zwischen Kunde und Zentrale habe. Ich kann auch XGS-PON einsetzen und den Splitter statt im Keller beim Endkunden auch in der Zentrale platzieren, wie dies heute bereits von Swisscom und Salt gemacht wird. Man hat also volle Flexibilität und ist nicht auf meist proprietäre PON-Technologien weniger Anbieter fokussiert.
Um der Untersuchung und allfälligen Massnahmen der WEKO zu entkommen, hat Swisscom mit Salt eine Partnerschaft abgeschlossen. Salt wird die zweite Faser, die “Kooperationsfaser”, welche Swisscom extra für Kooperationspartner verlegt hat, mit separatem Splitter verwenden. Somit wird Salt ein eigener Splitter im Haus oder Manhole installieren und von dort aus den Endkunden versorgen. In der Zentrale verwenden Salt eigenes Equipment, welches an die Kooperationsfaser und damit den Splitter mit den Endkunden darauf angeschlossen worden ist. Natürlich gibt es mehr als eine Kooperationsfaser, da solche Verlegekabel meist 12 - 48 Fasern haben. Jetzt muss Salt hierfür natürlich Millionenbeträge berappen und fleissig Splitter installieren (lassen). Auf dieser eigenen Faser kann Salt natürlich wiederum weitere Anbieter mit Vorleistungsprodukten versorgen, wie dies Swisscom über BBCS schon seit längerer Zeit macht. So ein Kooperationsmodell mit separater Faser kann sich aber nicht jeder Anbieter leisten. Aus diesem Grund hat Swisscom neben BBCS ein weiteres Türchen geöffnet: TWDM-PON resp. NGPON2. Damit kann die Faser und der Splitter von Swisscom verwendet werden, aber auf einer anderen Wellenlänge (“Farbe”). Somit können mehrere Anbieter mit ihrem eigenen Equipment über die gleiche Faser und den gleichen Splitter ihre jeweiligen Endkunden einbinden. Aber TWDM-PON resp. NGPON2 hat sich wohl nicht so ganz durchgesetzt resp. es gibt sehr wenige Anbieter für diese Technologie was die Investitionskosten für den jeweiligen ISP massiv steigen lässt.